17 | Ein Haus ist noch kein „Zuhause“

Ich sitze inzwischen  schon seit einer Stunde auf meinem Bett, starre auf den Bildschirm und versuche verzweifelt einen schönen Einstieg für diesen Beitrag zu finden. Im Hintergrund läuft meine „Für-jede-Stimmung-und-Gelegenheit-Playlist“, genannt „Cello“ nach dem Lied von Udo Lindenberg, einfach, weil es das erste Lied auf der Playlist ist. Im Moment passt aber gar kein Lied, ich drücke unendliche Male auf shuffle, aber weder Californication, Lost Stars oder Georgia on my mind verhelfen mir zu einem Kreativitätsschub.  Dabei geistert die Grundidee, einen Artikel über das Thema „Zuhause“ zu schreiben, schon seit ein paar Wochen in meinem Oberstübchen herum.
Mittlerweile habe ich auch schon unzählige Essays und journalistische Auseinandersetzungen zur Thematik gelesen, das hilft mir aber auch nicht weiter. Was ich brauche, ist ein „Reset-Knopf“ für mein Gehirn, um alles Unnötige herauszupusten und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

„Ohne Heimat sein heißt leiden.“, meint Fjodor Michailowitsch Dostojewskij (der Autor von Schuld und Sühne) und Recht hat er! Ich muss zugeben, ich hatte Mitte November eine kleine Durststrecke, in anderen Worten ausgedrückt: Heimweh. Ein kleines, fieses Wort, vor dem wahrscheinlich viele EFDler, Austauschschüler oder andere Expats Angst haben. Der November ist ein gemeiner Monat: nass, kalt und grau. Er hat weder das bunte Laub in Verbindung mit Sonne vom Oktober zu bieten, noch die ganzen weihnachtlichen Lichter vom Dezember und Schnee ist auch nicht in Sicht. Kurzum: ein fieser Monat, weshalb er auch bei rund der Hälfte der Deutschen der unbeliebteste Monat ist laut einer repräsentativen Emnid-Umfrage. Und genau in diesen ungemütlichen Monat fiel nun mein kleiner Anfall von Heimweh.
Rückblickend kann ich ziemlich genau beschreiben, warum ich – und auch andere EFDler – genau zu dieser Zeit eine Tiefphase erlebten. Mehrere Gründe können hierfür genannt werden:

  1. Bei Ankunft im September sind im November schon ziemlich genau zwei Monate vergangen, die man im Ausland verbracht hat. Zwei Monate, in denen man viel Neues erlebt hat. Fast täglich prasseln neue Eindrücke auf einen ein: eine andere Sprache, das WG-Leben, die Arbeit und nicht zuletzt das neue Land, das es zu erkunden gilt. Meiner Einschätzung nach, setzt nach ungefähr diesen zwei Monaten der Alltag ein. Wir haben uns – mehr oder weniger – daran gewöhnt selbst den Haushalt zu schmeißen, werden nicht mehr für Touristen gehalten, sondern für Einheimische und erklären den Touristen den Weg und auch an das Arbeitsleben haben wir uns gewöhnt. Alles in allem also der ganz normale Alltagstrott.
  2. Gerade weil der Alltag und die Routine in dieser Zeit einsetzt, schwebt man ein bisschen zwischen zwei Welten: Eigentlich hat man sich von Deutschland und seinem Zuhause gelöst, aber zu 100% ist man auch noch nicht in seinem neuen Heim angekommen. Klar, man kennt sich aus, freut sich auf ein entspanntes Wohlfühlwochenende im Bett nach einer anstrengenden Woche, aber es fühlt sich einfach noch nicht richtig an.
  3. Der November. Mal ganz ehrlich, auch ohne all diese Veränderungen, mit denen man erst mal klarkommen muss, ist der November doch einfach ein beschissener (Pardon) Monat. Graue Tage und ein anhaltender Nieselregen machen es nicht einfacher gute Laune zu bekommen. Ich kenne keine Person, die den November als ihren absoluten Lieblingsmonat bezeichnen würde, falls es aber doch solch eine Person gibt, möge sie oder er mich doch bitte nächsten November davon überzeugen, wie man sich vielleicht doch mit diesem Monat anfreunden kann.

Tipps gegen Heimweh gibt es schon genug, darauf will ich nicht mehr eingehen, aber noch eine kleine Anmerkung am Rande: Oft liest man, man solle sich doch ablenken und viel unternehmen bei einem Anflug von Heimweh. Wenn man allerdings drei mal in der Woche nach der Arbeit zum Sprachkurs rennt und dann auch noch Orchesterprobe hat, also an vier Abenden beschäftigt ist, dann ist es manchmal vielleicht einfach besser zuhause zu bleiben, sich mit Tee und Lebkuchen (oder Keksen) ins Bett zu legen, einen Film zu schauen oder stundenlang mit der Mitbewohnerin zu schnacken.

Und wenn man dann nach einer Woche Heimaturlaub über Weihnachten wieder in der „Fremde“ ankommt, die Haustür aufschließt und sich nach einer nervenaufreibenden Zugfahrt denkt: „Endlich daheim“, dann ist das Haus nicht nur ein Haus, sondern ein „Zuhause“.
Obwohl mein Zimmer ewig braucht, um aufzuheizen, das Wasser im Waschbecken nicht immer ganz so gut abläuft und das Chaos in meinem Zimmer doch ein wenig größer ist, als in meiner Erinnerung, so ist es doch inzwischen mein Zuhause geworden und es mutet nicht mehr seltsam an, wenn ich sage: „Ich gehe nach Hause“, und damit meine WG in Luxemburg meine. Und genau in diesem Moment, du kannst mir glauben oder nicht, ertönt Home von Michael Bublé auf meiner Playlist. Ein Lied, wie es gerade passender nicht sein könnte.

PS: Dem aufmerksamen Leser mag vielleicht aufgefallen sein, dass bei der Durchnummerierung meiner Artikel die Nummer 16 fehlt, aber in Anbetracht der Tatsache, dass dies der erste Beitrag im Jahr 2017 ist, erscheint es mir nur mehr als passend, die 16 einfach zu überspringen.

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