Was gibt es schöneres als vier Tage lang seine Visionen niederzuschreiben und neue Leute kennenzulernen? – Außer Schlaf fast nichts und genau das hat mich
vergangenes Wochenende nach Straßburg zur European Youth Convention (EYC) geführt. Zusammen mit 149 anderen Verrückten aus 38 Ländern habe ich vier Tage lang an einer Verfassung für die Europäische Union gearbeitet und dabei so einiges dazugelernt. Veranstaltet wurde das Event von den Jungen Europäischen Föderalisten (JEF), eine überparteiliche, pro-europäische Jugendorganisation.
Ich weiß nicht, wie du über Europa und die EU denkst, aber ich verstehe mich als überzeugte Europäerin. Klar, die EU hat ihre Schwächen, wie jedes System, aber es ist eben nicht der Grund allen Übels, wie uns manch ein Populist weismachen möchte und doch haben wir uns schon so an die Privilegien der EU gewöhnt, dass wir sie schon gar nicht mehr wahrnehmen, ja, sogar glauben, dass wir ohne sie besser dran wären. Und was diese Denkweise nach sich zieht, wurde uns mit dem Brexit-Votum ganz deutlich vor Augen geführt. Die ländlichen Regionen Großbritannien haben in sehr hohem Maße von Subventionen der EU profitiert und trotzdem ist in diesen Regionen die EU-Ablehnung mit am höchsten. Was läuft also falsch? Ist es mangelnde Transparenz? Fehlende Bürgerpartizipation? Oder schlichtweg zunehmender Nationalismus? Vermutlich ist es eine Mischung aus diesen Punkten und noch mehr, die sich über die gesamte EU wie ein unsichtbarer Schleier legt und die Begeisterung für dieses gewaltige Projekt lähmt. Was wir brauchen, ist aber nicht eine EU, die langsam auseinanderfällt, sondern eine Union, die sich an die Zeit anpasst, die näher an den Bürgern, leichter zu verstehen und vereinter ist. Unter diesen Gesichtspunkten haben wir uns an die gewaltige Aufgabe gemacht, eine Verfassung für die Europäische Union, für ein besseres Europa, zu schreiben – und das innerhalb von vier Tagen.
Unter der Fragestellung „What is your vision of a functioning European Union and how can we translate it into a European Citizen’s Constitution?“ haben wir nicht nur an Reformen gearbeitet, sondern die EU von Grund auf neu konstruiert. Das ist natürlich nicht im Plenum zu schaffen, dazu waren wir zu viele und es gab zu viele Themen, die irgendwie in einer Verfassung untergebracht werden müssen. Deswegen haben mit der Syntegration® Methodik gearbeitet. Diese fordert einen ständigen Wechsel zwischen aktiven und passiven Rollen der Teilnehmer, das heißt entweder beobachtet man nur, kritisiert oder nimmt aktiv an der Diskussion teil. Welche Rolle man bei welchem Thema einnahm wurde am Anfang festgelegt. Ich war beispielsweise aktiv an den Abschnitten European Citizenship und der Präambel beteiligt und durfte bei den Themen Internal Affairs, Security and Justice und External Affairs and Common Defense kritisieren. Vielleicht, aber auch nur vielleicht kam bei External Affairs and Common Defense ein bisschen die Pazifistin in mir durch. Ja, es gab sehr hitzige Diskussionen, vor allem in dieser Gruppe.
Nach drei Tagen voll mit emotionsgeladenen Ansprachen, konstruktiven Diskussionen und schlaflosen Nächten im Europäischen Parlament und im Rat der Région Grand-Est, haben wir am Sonntag schließlich über die Verfassung, unsere Verfassung, Punkt für Punkt abgestimmt. Ich stimme nicht mit jedem Paragraphen überein, die Verfassung ist nicht perfekt, aber das Wichtigste ist, dass wir es überhaupt geschafft haben in dieser kurzen Zeit eine Verfassung zu schreiben. Vielleicht wird sie nicht allen Vorstellungen gerecht, doch der Grundstein für ein besseres Europa ist gelegt.
Die finale Verfassung ist leider noch nicht online, aber mehr Informationen dazu kannst du auf der Webseite der European Youth Convention finden. Findest du die Verfassung einfach nur fabelhaft oder willst du sie in die Tonne schmeißen? Lass es mich wissen! Teil mir deine Meinung zu unserer Verfassung mit.
Der Europäische Jugendkonvent soll keine einmalige Sache sein, sondern der Auftakt für 
eine breite Debatte zur Zukunft der EU. Aus diesem Grund gibt es 16 Botschafter, die die Verfassung nach außen repräsentieren werden und ich bin eine von ihnen. Eine Debatte lebt natürlich von Beteiligung und es nutzt nichts, wenn wir unsere Visionen und Vorstellungen in die Welt schreien und dann keine Rückmeldung bekommen. Deshalb freuen wir uns sehr, wenn wir Feedback empfangen und dich möglicherweise auch vom Projekt EU überzeugen können. Du willst dich für die EU engagieren? Noch besser! Eine von vielen Möglichkeiten sind die Pulse of Europe Demonstrationen. Ausgehend von Frankfurt finden seit Herbst in vielen europäischen Städten pro-europäische Demonstrationen statt und das bestimmt auch in deiner Nähe.
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