23 | Paris, je t’aime! Oder doch Dresden?

Ja, ich lebe noch. Auch wenn es hier schon länger kein Lebenszeichen mehr gab. Und weil seit dem letzten Artikel viel geschehen ist, gibt es nun einen kurzen (oder auch längeren) Überblick über die letzten Wochen.
Der Übersichtlichkeit halber ist es wahrscheinlich besser, alles chronologisch aufzuschreiben. Falls ich aber doch einmal in der Zeit springen sollte, verzeihe mir das bitte.

„Alles neu macht der Mai.“ – Nicht nur der Frühling hielt mehr oder weniger Einzug in Luxemburg, auch im Büro gab es einige Veränderungen. Das hat uns aber nicht davon abgehalten die diesjährige Lëtz‘ Step to Fairtrade Kampagne zu lancieren und weiter den 25. Geburtstag zu feiern. Lëtz‘ Step to Fairtrade ist die nationale luxemburgische Fairtrade Kampagne, die dieses Jahr in den ersten zwei Maiwochen stattfand. Ich habe mich also mal wieder ins Bananenkostüm geworfen und versucht Luxemburg für den fairen Handel zu begeistern. Immerhin musste ich dieses Mal nicht Macarena tanzen. Dafür habe ich ganz fleißig viele Workshops durchgeführt und bin mit einem schicken Fairtrade-Smart durch das Großherzogtum gedüst. In den Genuss des Smarts kam auch meine Mutti, die über das erste Mai-Wochenende zu Besuch war. Wir sind einmal bis in den „hohen Norden“ Luxemburgs gefahren, um uns die Family of  Man Ausstellung in Clervaux anzuschauen. Jetzt weiß ich auch, warum man sagt, der Smart sei ein Stadtauto. Ein Smart auf der Autobahn und viel Wind kann manchmal etwas beunruhigend sein, weil man sich manchmal wie in einer Erdnussschale fühlt.

Die Kampagne war ein voller Erfolg, würde ich sagen. Teil der Kampagne war auch die World Fairtrade Challenge vom 12. bis 14. Mai. Unser Ziel waren 25 Picknicks im ganzen Land und dieses Ziel haben wir sogar übertroffen. Insgesamt gab es 50 Veranstaltungen im Rahmen der World Fairtrade Challenge in Luxemburg und ungefähr 5500 Personen haben daran teilgenommen. Verglichen mit anderen Ländern liegen wir damit im weltweiten Ranking auf dem 13. beziehungsweise 15. Platz. Es gab zwar nur 20 Teilnehmer, aber man darf auch nicht vergessen, dass Luxemburg nur wenige Einwohner mehr hat als Dresden.

Apropos Dresden: Die Stadt trägt den Namen Elbflorenz nicht umsonst, es ist wunderschön dort. Direkt nach der Kampagne hat es mich mit einem kleinen Zwischenstopp in der Nähe von Düsseldorf nach Dresden und Erfurt verschlagen. Sagen wir mal so, eine kleine existenzielle Krise über die Zukunft, vor allem meine Studiumszukunft, hat mich in den Osten geführt. Und wie immer bei Fernreisen mit der Deutschen Bahn gibt es auch dieses Mal wieder ein Kuriosum. Meine Reise durch halb Deutschland auf mehrere Tage verteilt von Düsseldorf nach Dresden, von Dresden nach Erfurt und schließlich von Erfurt wieder nach Luxemburg war günstiger, als wenn ich direkt von Luxemburg nach Dresden und wieder zurück gefahren wäre. Da stellt sich mir die Frage: Wie kalkuliert die DB ihre Preise? Steckt da ein System dahinter oder ist es einfach nur willkürlich? Ich darf mich aber nicht beschweren, bin ich doch ohne größere Verspätungen und Zwischenfälle überall gut angekommen.
Die Reise war sehr erfolgreich, ich habe mir die Unis in Dresden und in Erfurt angeschaut, mit Studierenden gesprochen, die Städte auf mich wirken lassen und jetzt gibt es einen klaren Favoriten, wobei ich mich auch inzwischen mit Plan B angefreundet habe und ihn auch ganz nett finde. Wobei, nett ist das falsche Wort, man sagt ja nett ist die kleine Schwester von scheiße, aber das ist es in diesem Fall auf jeden Fall nicht. Sympathisch trifft es wohl eher und vielleicht entwickelt es sich ja noch zu Liebe auf den zweiten Blick, falls das mit der Liebe auf den ersten Blick und den Christstollen nichts wird. Dann gibt es eben Rostbratwürste.
Die Unizeit kann jetzt also kommen, ich bin bereit!

Das Wochenende darauf hatte ich schon wieder Besuch und dieses Mal aus Berlin von der lieben Madita. Inzwischen hat sich die Sonne den Himmel erkämpft und bei knapp 30 Grad gibt es dann doch angenehmeres als Städte zu erkunden, aber glücklicherweise war sie schon über Silvester da und hat da schon einiges gesehen. Muss auch ein toller Eindruck von Luxemburg sein: An Silvester noch sibirische Kälte und dann Wetter wie in Andalusien im Hochsommer. Für die Läufer des Nachtmarathons, der auch an diesem Wochenende stattfand, war das Wetter bestimmt auch nicht optimal, aber als Zuschauer war es ein klasse Erlebnis! So viele Menschen, sowohl Zuschauer als auch Läufer und die Stimmung während und nach des Marathons war einfach nur klasse. Die Lampions von der Nuit de Lampions wurden im Pétrussetal aufgehängt als Dekoration für eine Pop-up-Party. Die Strecke verlief auch durch das Tal und ich glaube auch den Läufern hat diese magische Stimmung Gänsehaut gezaubert.

Nach all dem Trubel könnte man mal für Entschleunigung sorgen, denkst du? Immerhin befinden wir uns immer noch im Mai. Da kommt die Mid-Term-Evaluation gerade richtig. Normalerweise sollte man die mitmachen, wenn man sich gerade in der Mitte seines Freiwilligendienstes befindet. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände (du kennst mein Organisationstalent), konnte ich allerdings nicht im März daran teilnehmen, sondern habe es erst zu dem Meeting Ende Mai/Anfang Juni geschafft. Das hatte aber dann den Vorteil, dass wir das (immer noch) fabelhafte Wetter in Marienthal genießen konnten und ich auch einige andere Freiwillige kennengelernt habe, die im Januar oder Februar angefangen haben.
Wie das aber so ist, gibt es nicht nur Positives von der Evaluation zu berichten. Ich bin kein großer Fan von tagelanger, erzwungener (das klingt ein bisschen zu krass, aber verstehst du, was ich meine?) Selbstreflexion. Ich würde von mir behaupten, dass ich im Allgemeinen oft über die Dinge nachdenke, die ich schon alle in Luxemburg erlebt habe. Dafür muss ich aber nicht einen Heißluftballon malen und dann einzeichnen, was mir gut tut und was nicht, sondern das funktioniert auch einfach nur über ein bisschen Gehirnschmalz, der aktiviert wird. Zudem wurden, meiner Meinung nach, vor allem negative Erlebnisse besprochen, was sich aber darauf zurückführen lässt, dass negative Ereignisse einfach besser im Gedächtnis haften bleiben als positive. Die vielen kleinen Glücksmomente, die einen Freiwilligendienst im Ausland ausmachen, sind nicht auf Knopfdruck abrufbar oder könntest du mir jetzt auf Anhieb drei Glücksmomente des vergangenen Jahres erzählen? Es gibt (im Idealfall) ja auch so viele! Und jetzt kommen wir zu einem Punkt, bei dem ich nie dachte, dass ich zu ihm gelangen werde: Ich werde aus Agnes von Peter Stamm zitieren.

„Glück malt man mit Punkten, Unglück mit Strichen. Du musst, wenn du unser Glück beschreiben willst, ganz viele kleine Punkte machen (…) Und dass es Glück war, wird man erst aus der Distanz sehen.“ *

Es ist jetzt zwar etwas aus dem Kontext gerissen, aber ich finde, es passt ganz wunderbar zu unserer Freiwilligendienstsituation. Wahrscheinlich sehen wir erst nach der Beendigung unseres Dienstes das gesamte Bild. All die kleinen Glückspunkte werden sich dann zu einem großen Bild zusammenfügen, aber bevor wir das sehen können, brauchen wir erst einmal zeitliche und emotionale Distanz dazu, wohingegen die negativen Erfahrungen, also die Striche, schon während der Entstehung des Gemäldes herausstechen, aber wie Ölfarbe auf Leinwand nicht mehr entfernt werden kann, sondern bestenfalls nur noch kaschiert werden können.

Ein Punkt, der definitiv nicht kaschiert werden muss, sondern sich schon bei der Entwicklung des Werkes positiv hervortut, war die kleine Reise nach Paris am Wochenende danach mit Nicky. Damit dieser Beitrag keine biblischen Maße annimmt, gibt es jetzt einfach ein paar Eindrücke von unserem Wochenende.
Wobei, so ganz kann ich es nicht lassen. Klick dich einfach durch die Galerie, dann weißt du, was ich meine. Und wenn du zu faul dazu bist, bleibt mir nur noch eines zu sagen als Zusammenfassung: Paris, je t’aime.

Mal ein Wochenende einfach nur in Luxemburg zu sein, wäre ja langweilig und deshalb ging es das nächste Wochenende direkt nach Freiburg und in den Europapark mit meinem Orchester.
Was braucht man alles für einen erfolgreichen Musikerausflug? Gute Stimmung? Hatten wir. Gutes Wetter? War auch vorhanden. Gutes Essen? Aber natürlich! Es war also ein mega lustiger Ausflug und obwohl ich kein Fan von Achterbahnen und Freizeitparks im Allgemeinen bin, fand ich es doch auch sehr schön im Europapark.
Eine Beobachtung gibt es noch zum Ausflug: Warst du schon einmal mit einer Gruppe Nicht-Einheimischer in Deutschland? Beziehungsweise mit einer Gruppe Nicht-Einheimischer aus dem Land, in dem du gerade wohnst in Deutschland, also dem Land, aus dem du herkommst? Es war total seltsam für mich mit einer Horde Luxemburger in Deutschland zu sein. Man fühlt sich ein wenig wie eine Fremde im eigenen Land. Da ist man in Deutschland in einer Region, dessen Sprache man schon fast als Schwäbisch durchgehen lassen kann und in der es auch Maultaschen gibt, und trotzdem hört man um sich herum lauter luxemburgisch. Verrückt.

Bravo! Jetzt hast du es tatsächlich bis zum Schluss geschafft, eine wahrlich meisterhafte Leistung.
Die vergangenen Tage war es ziemlich heiß  hier und dementsprechend wenig habe ich gemacht, es war schlichtweg zu heiß, um sich in irgendeiner Weise zu bewegen. Ich erinnere mich noch daran, im Reiseführer gelesen zu haben, das Wetter in Luxemburg sei recht mild. Naja, ich habe eine andere Auffassung von mild als -15°C im Winter und 35°C im Sommer, aber das Wetter im Moment ist ja auch nicht die Norm. Der Nationalfeiertag allerdings schon und was es mit dem auf sich hat, gibt es nächste Woche zu lesen.

*Kleine Einordnung in das Geschehen des Buches für ein besseres Verständnis: Der Ich-Erzähler und Agnes sind im Art Institute of Chicago. Sie sprechen über sich und ihre Beziehung. Das Gemälde Un dimanche après-midi à l’Île de la Grande Jatte (Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte) von Georges Seurat oder vielmehr die Maltechnik dient hierbei als Metapher für das Glück in ihrer Beziehung. Wichtig zu wissen ist auch noch, dass Seurat einer der wichtigsten Vertreter des Pointillismus ist. Dementsprechend besteht das Werk aus vielen einzelnen Punkten, weswegen das Bild erst von größerer Entfernung betrachtet zu einem Motiv wird. Ausschnitte des Gemäldes kann man auch in Paris im Musée d’Orsay anschauen.

 

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